Körper
Körperräume überschreiten
Fotografien als Erscheinungsoberflächen – nicht nur des menschlichen Körpers, sondern auch anderer körperhafter Phänomene – sind auf dem Boden ausgebreitet und dürfen überschritten werden. Dabei entstehen Berührungen und Berührungsängste, sind Dinge zu erkennen und werden zugleich wieder entzogen, kommt Scheu auf, etwas ins Gesicht zu treten, das dennoch den neugierigen Blick nicht loslässt und in die Bildfläche hineinzieht.
Die Ambivalenz der Empfindungen kommt nicht nur dadurch zustande, dass die Bilder zu betreten sind und sich nicht in gewohnter Gegenüber-Stellung zeigen. Sie entsteht auch durch das Ausbreiten einer Art physiognomischen Blicks, der Dinge einander zuordnet, die zunächst in keinem anderen Kontext stehen als in jenem einer undefinierbaren Erscheinungsnähe. Diese fragile Brücke zwischen einzelnen, mehr oder minder zufällig aus dem Fluss der Phänomene gefischten Bildern, führt zu wechselseitigen Übergriffen, die Erkennbares auf- und abtauchen lassen und auf einmal Geschichten in ihre Umgebung hinein beginnen. Abläufe, Brüche und Haltepunkte, Blick- und Gedankenfolgen entfalten unterschiedliche Bildfragmente – und verwandeln sie beim Nachgehen ihrer Spuren.
Denn die Bilder erzählen anderes, wenn die Härte und Verletzlichkeit, die Fülle und Schönheit der Dinge zugleich berührt werden. Die Fotografien sind konkret und nah in ihrer Ausstrahlung, aber auch abstrakt und fern gegenüber realer Körperlichkeit. Mit deren Authentizität können sie nicht mithalten und doch sind sie schlichtweg aus Beobachtungen zufälliger Vorkommnisse hervorgegangen. Sie erfassen, wie die Dinge des Lebens in Erscheinung treten können und wollen sie weder ergründen noch in bestimmter Richtung ausforschen. Das langsame Zusammenwachsen der Bodenfläche aus Bildmomenten lässt Körperräume entstehen, die an die Ungewissheit des Physiologischen erinnern. Die abstrahierende Distanz des Sehsinns dient nicht dazu, über Körperbilder zu verfügen, sondern gilt jenem Voyeurismus, den der staunend-entdeckende Flaneur ausbildet: Imaginierend und kontemplativ Räume zu betreten, die hier -wörtlich- zu Füßen liegen, offen und verletzlich für eine Berührung der Körperlichkeit; gleichzeitig nur an der Oberfläche anstößig, da es zwar viel zu sehen gibt, aber keine innerlichen Funktionen oder Mechanismen entblößt werden, da es um Identifikations- und Assoziationsräume geht, die frei stehen.
Ausschnitte:
Katalog: Eva Koethen „Tritt-Bilder“, Aktionen und Ausstellungen 1998 -2005
Berlin – Tokyo 2005, 49 Seiten, (noch erhältlich)
download: „Tritt-Bilder“ (PDF-Datei, 3.1 MB)